Wikipedia – Teil 3 (Nachtrag zu Kurt Wolff, Opus Dei und IMABE)

Jetzt ist wieder eine Zeit lang nichts passiert. Aber seinesgleichen geschieht, zum Beispiel in der Wikipedia, zu der ich mich nun doch nochmals äußern muss.

Zuerst das Positive: Der Einschub im Artikel zu Kurt Wolff ist endlich (und anscheinend ohne Änderungen) vidiert und approbiert worden. Hat aber lang genug gedauert. Und eigentlich war und ist das Thema ja heutzutage recht unkontroversiell.

Weniger erfreulich sind meine Erfahrungen, was das sehr viel kontroversiellere Thema des katholischen Fundamentalismus – konkret: Opus Dei und seine Ableger – betrifft. Da muss man nämlich feststellen, dass es diese Fundis irgendwie geschafft haben, sich so weit in der Wikipedia zu verankern, dass Änderungen kritischer Art in einschlägigen Artikeln, die das Opus Dei und seine Ableger bzw. Anhänger betreffen, so gut wie unmöglich werden.

Ich finde das beunruhigend. Wenn man ein bisschen surft, kommt man schnell auf eine Seite, die sich www.opusfrei.org nennt und von ehemaligen Opus-Dei-Mitgliedern gestaltet wird. Wer wissen will, wie es dort wirklich zugeht, möge diese Seite lesen.

Was mich ebenfalls ärgert, ist diese Sache mit dem IMABE-Institut – voller Namen: „Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik“. Das wurde 1988 von einem gewissen Enrique Prat gegründet, der selbst ein prominentes Mitglied des Opus Dei ist (sein Bruder leitet das Opus Dei in Spanien und möglicherweise demnächst weltweit). Ärztlicher Leiter ist Johannes Bonelli, Internist in einem Ordensspital. Stellvertretende Geschäftsführerin ist Susanne Kummer, die Tochter von Friedrich Kummer, ehemaligem Chef der Lungenabteilung in einem Wiener Spital und Opus-Dei-Mitglied seit den Sechzigerjahren. Sowohl Johannes Bonelli als auch sein Sohn Raphael, Psychiater, sind ebenfalls Mitglieder des „Werkes“, wie sich das Opus, wörtlich und richtig übersetzt, auch nennt.

Nun will ich hier (wenigstens im Augenblick) gar nicht lang über das Opus Dei selbst räsonnieren, obwohl ich das sicher auch noch irgendwann mache. Aber was mich stört, ist die schlichte Tatsache, dass das IMABE-Institut ohne jeden Zweifel eine Frontorganisation des Opus Dei ist, sich dazu aber nicht bekennt. Vielmehr wird da von „Interdisziplinarität“ und derlei schönen Dingen gesprochen.

Und die Herren Prat und Bonelli (sr.) schreiben regelmäßig Kommentare in der „Österreichischen Ärztezeitung“. Das wundert einen dann schon weniger, wenn man erfährt, dass kein anderer als Walter Dorner, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer: richtig, im Kuratorium von IMABE sitzt. Es wird behauptet, er sei auch Mitglied bei Opus Dei, aber sicher weiß ich das nicht. Sicher ist nur, dass mich zwar die persönliche religiöse Überzeugung der genannten Personen nicht zu interessieren hat, sehr wohl aber ihre Auswirkung auf das Ausüben ihrer öffentlichen Funktionen.

Wenn IMABE, quod erat demonstrandum, zum Opus Dei gehört, dann soll das bitte auch deklariert werden. Und dann geht es aber auch nicht an, dieser Organisation so viel Raum im offiziellen Organ der Österreichischen Ärztekammer einzuräumen.

Zwei neue Artikel

Ich habe mir erlaubt, wieder einmal was für Suite101 zu schreiben. Nein, das stimmt nicht ganz, ich schreibe es nicht für Suite101, ich veröffentliche es nur dort. Dabei ist die Tatsache, dass man dort im Prinzip auch Tantiemen für Werbeklicks kriegt, ziemlich nebensächlich, denn mit meinen (jetzt) acht Artikeln habe ich bisher € 2,68 verdient, was keine wirkliche Motivation wäre.
Aber es macht Freude, es sind gute Fingerübungen, und es ist zumindest was anderes als über randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudien zu schreiben.
So habe ich mich also zunächst an das Verhältnis zwischen Karl Kraus und Kurt Wolff gewagt. Anlass war der in der „Bibliothek Janowitz“ von Friedrich Pfäfflin veröffentlichte Briefwechsel zwischen den beiden, aus den Jahren 1912 bis 1921. Das Buch wird von einigem Material bereichert, nicht nur von Verträgen, die zwischen Kraus als Autor und Wolff als Verleger geschlossen wurden, sondern auch von einigen Briefen anderer Autoren, etwa Franz Werfel, die zur Sache gehören, weiters von einigen Auszügen aus der Fackel.
Ich mag hier nicht wiederholen, was man in meinem Artikel nachlesen kann (der sogar von der Redaktion von Suite101 gelobt wurde, was ich dankend annehme), aber es ist schon bemerkenswert, dass Werfel sowohl der Initiator als auch der Vernichter der Beziehung Kraus — Wolff war. Allerdings: So, wie die Dinge lagen, musste es wohl früher oder später zu diesem Bruch kommen, denn Wolff sah sich nun einmal nicht als Zensor seiner Autoren, und auch wenn er Kraus zuliebe einen eigenen „Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)“ gegründet hatte, verlegte er eben doch weiter auch jene, die von Kraus angegriffen wurden und sich natürlich gelegentlich wehrten: Franz Werfel, Kurt Hiller, Max Brod und andere.
Was ich aber besonders bemerkenswert finde, ist, dass Kurt Wolff, obwohl er Kraus liebte und verehrte, niemals einer der (von ihm selbst so genannten) „Besessenen“ war, deren absurd übertriebene Verehrung (Hiller nannte Kraus in einem Brief allen Ernstes „christushaft“) so leicht in Hass umschlagen konnte und dies auch tat: bei Werfel, bei Hiller, bei Haas — die Liste ließe sich fortsetzen.
Nein, Wolff war kein Besessener, er war eher ein Treuer, der noch Jahrzehnte später, als Kraus längst tot war und andere, ehemalige Besessene, verbal bereits mehrfach wohlig auf sein Grab uriniert hatten, immer noch von seiner stets unveränderten inneren Beziehung zu Kraus und seinem Werk schrieb. Dieser Essay, der ursprünglich in zwei separaten Stücken Mitte der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre erschien und in Pfäfflins Buch den simplen Titel „Karl Kraus“ trägt, wird zu Recht zum Schönsten gezählt, was je über Kraus geschrieben wurde.
Nein, Kraus war nicht christushaft, aber er war das Gewissen seiner Zeit, die nur allzu oft lieber gewissenlos sein wollte und es auch war. Und heute muss man wohl schon wieder auf das monumentale Werk dieses großen österreichischen Satirikers, Lyrikers und Dramatikers hinweisen, der nebenbei auch noch der beste Interpret seiner eigenen Werke war, aber auch jener von Shakespeare, Goethe, Nestroy und Offenbach. Über 700 Vorlesungen, von denen einiges Wenige sich als Ton- oder sogar Filmdokument erhalten hat, gaben Zeugnis davon.
Und Wolff? Er musste fliehen, zunächst nach Frankreich, dann in die USA. Man kann einiges, eher kursorisch Verfasste, über sein Leben und seine Arbeit in der Wikipedia nachlesen, wo übrigens meine Änderungs- oder eher: Ergänzungsvorschläge (ich habe einen eigenen Abschnitt über die Beziehung Wolff-Kraus geschrieben, weil der Name Kraus im vorherigen Wiki-Artikel nicht einmal vorkam) zum Zeitpunkt, da ich das hier schreibe, noch immer nicht vidiert sind, und das ist jetzt immerhin schon eine Woche her. Den Artikel mit meinen Ergänzungen findet man hier; wer das bisher immer noch offizielle Original lesen will, braucht nur auf den Reiter „Lesen“ links daneben zu klicken.

Der andere Suite101-Artikel ist eher eine impressionistische Skizze eines meiner Lieblingsorte: Drosendorf im Waldviertel. Sehr zu empfehlen für Menschen, die keine Events und keine dröhnende oder pulsierende Abend- und Nachtkultur brauchen, sondern eher leise, manchmal schwer wahrnehmbare Sonderlichkeiten, die es aushalten, ja vielleicht sogar suchen, dass: nichts geschieht. Die einen Schlosshof schätzen können, in dem man sitzen kann und in dem sich lediglich der Schatten des Sonnenuhrzeigers an der Wand und das Wasser, das im kleinen Springbrunnen plätschert, bewegen — und allenfalls die eigenen Gedanken und Gefühle, so sie sich nicht in die Stille verflüchtigen, deren Kostbarkeit man dort erleben mag.