Und kein Ende… oder doch?

Meine Auseinandersetzung mit dem Pipi von Pipifax und dem wunderlichen Fritz nimmt kein Ende. Nicht zuletzt, weil die beiden Herren keine Ruhe geben. Sondern mir stets — unter völligem Ignorieren meiner Antworten, Entgegnungen, Erläuterungen, ja sogar Beteuerungen, ständig den gleichen Bleedsinn vorwerfen.

Ich sei ein Antisemit, denn ich hätte Fritz Haber als den Erfinder von Zyklon B bezeichnet — eine Lüge, wie der Wunderlich meint. Ein bedauerlicher Irrtum meinerseits, kann ich dazu nur sagen, der aber insofern kein großes Problem darstellt als die betreffenden Postings sowieso gelöscht wurden und ich meinem Bedauern über diesen Irrtum hier bereits öffentlichen Ausdruck verliehen habe. Aber Wunderlich hat das nicht gelesen, oder er will es nicht hören, oder es glaubt es einfach nicht, oder er hat seinen Beißreflex nicht unter Kontrolle oder was weiß denn ich, was diesen Menschen reitet.

Und ich sage auch noch einmal, dass mein Irrtum nicht nur nicht antisemitisch gemeint war; er war auch de facto nicht besonders groß, denn

  1. wurde Zyklon B ja tatsächlich in Habers Arbeitsgruppe bzw. von einem seiner früheren Mitarbeiter entwickelt, und vermutlich war Haber an den Vorarbeiten beteiligt.
  2. hätte Haber das Zyklon B ohne weiteres erfinden KÖNNEN, und ich frage mich nur, wie Wunderlich und Co dann reagiert hätten. (Ohje, das war jetzt wieder eine „antisemitische Stereotypie“, denn jetzt glaubt Wunderlich, genau zu wissen, dass ich mit diesem Ausdruck schlicht und einfach „die Juden“ gemeint habe; hab ich aber nicht; ich meine mit „Wunderlich und Co.“ einfach all jene, die ähnlich unreflektierte Positionen vertreten wie er; und auch das wird er mir nicht glauben….) Warum hätte Haber das Zyklon B erfinden können? Ganz einfach: Weil er Chemiker war, weil er davor jede Menge anderer grauslicher Gase zu grauslichen Zwecken entwickelt hat und auch noch stolz darauf war. Zyklon B war ja immerhin, als es entwickelt wurde, nur zum Töten von Insekten bestimmt. Auch nicht schön, aber in manchen Fällen vielleicht notwendig und jedenfalls kein Verbrechen gegen Menschheit und Menschlichkeit. Anders hingegen die Gase, die Haber während des Ersten Weltkriegs schuf: Das waren Kampfgase, vom ersten Tag an, nie für etwas anderes bestimmt, als Soldaten der einen Seite zu schädigen, zu töten, und das auf qualvollste Weise. Und Haber war sogar dabei, war mehrfach an der Front, überwachte die Einsätze seiner Giftgase, bezeichnete auch nach dem Krieg noch Giftgas absurderweise als „humane Waffe“ und blieb bis an sein Lebensende bei der Ansicht, er hätte nichts Böses getan. Das Nobelpreis-Komitee hat ihn ja in dieser Ansicht leider, leider sogar bestätigt, und vermutlich auch noch mancher andere. Dieser Mann ist für mich ein Kriegsverbrecher. Die hat’s ja schließlich nicht nur im Zweiten Weltkrieg gegeben. Ohje, ich hör ihn schon wieder schreien. Was schreit er? Er schreit: „Relativierung der Einmaligkeit des Holocaust durch eine Redefigur, die für gewisse Kreise typisch ist.“ Und schon wieder redet er Unsinn. Mir ist völlig klar, dass es Leute gibt — Rechtsradikale, Neonazis, Ewiggestrige und was weiß ich was –, die versuchen, die monumentale, jedes Vorstellungsvermögen übersteigende Grauenhaftigkeit des Holocaust dadurch zu relativieren, dass sie auf die Schuld der Alliierten, auf Kriegsverbrechen von amerikanischer und russischer Seite und auf eine Menge anderer Dinge hinweisen, die auch nicht schön waren. Nur: Um so etwas tatsächlich zu einer Relativierung des Holocaust — vielmehr zu einem, natürlich untauglichen, Relativierungsversuch zu machen, braucht es doch zweierlei: eine bestimmte, in bestimmter Rhetorik geäußerte Verknüpfung des Holocaust mit den genannten Tatsachen und die entsprechende, dem Sprecher nachzuweisende Intention zur Relativierung. Beides fehlt bei mir völlig. Vor allem die Motivation war schließlich eine völlig andere. Ich kam dazu ja, quasi von der anderen Seite der Geschichte, hatte mich bei der Lektüre von Edward Timms‘ Kraus-Biographie ja gerade in den Ersten Weltkrieg und die Zeit danach hineingedacht. Und Timms erwähnt dort, nachdem er ausführlich auf Haber und seine Verantwortung für die Giftentwicklung und seine Mitverantwortung für die Giftgasangriffe eingeht, etwas summarisch, dass Habers Arbeitsgruppe auch das Zyklon B entwickelt habe. Und da hab ich, leider, schlampig gelesen und daher die falsche Schlussfolgerung gezogen, es sei Haber selbst gewesen. Eingestanden, zugegeben, für mich erledigt. Nicht aber für den Wunderlich, der darauf besteht, ich hätte bewusst eine antisemitische Lüge verbreitet. Na, wenn er will, soll er. Ich werd’s überleben, weiß, wie ich’s gemeint und vor allem, wie ich’s nicht gemeint habe und weiß mich vor allem frei von antisemitischen Vorurteilen. Schade nur, dass er’s nicht weiß.
  3. Haber war also nicht gerade jemand, der von humaner Kriegsführung überzeugt war. Oder vielmehr, er hat fälschlich behauptet, die von ihm propagierte Kriegsführung mittels Gas sei human. Was Haber zum Holocaust gesagt hätte, wissen wir nicht. Vielleicht hätte der Einsatz von Zyklon B — das von seinem Mitarbeiter Walter Heerdt erfunden wurde, wie wir jetzt alle wissen — gegen Juden bei ihm zu einem Sinneswandel hinsichtlich der Berechtigung von Giftgasangriffen an der Front geführt. Und vielleicht noch zu viel größeren und grundlegenderen Wandlungen. Immerhin kamen auch einige von Habers Verwandten im Holocaust um, aber da war er schon tot; er starb ja, wir erinnern uns, 1934. Und man möge mir bitte auch hier keine antisemitischen Stereotypien unterstellen. Es ist für mich nicht ausgemacht, wie Haber auf den Holocaust reagiert hätte. Vermutlich mit Grauen, aber wissen wir das wirklich? Die Toten und Schwerstverletzten und -verätzten, die seine Gase im Ersten Weltkrieg hinterlassen haben, schienen ihm jedenfalls nicht schwer auf der Seele zu liegen. Und ich sage es noch einmal: Ich halte diesen Mann für einen Kriegsverbrecher und für ein flagrantes Beispiel einer wissenschaftlichen moral insanity, die in ähnlicher Weise bei einer Menge Wissenschaftler unter dem Naziregime vorhanden war und die bekannten Resultate gezeitigt hat. Und mir deshalb Antisemitismus zu unterstellen, weil ich diesen Mann angreife, der eben zufällig auch Jude war, finde ich völlig daneben. Und ob er das Zyklon B nun selbst erfunden hat oder nicht (wir wissen: er hat nicht), das wird für mich in diesem Kontext eigentlich zum Detail. Ich sage ja auch nicht, dass Walter Heerdt wegen der Erfindung von Zyklon B ein Kriegsverbrecher war. War er nicht. Er dürfte später bei den Nazis auch eher angeeckt sein und wollte schon zuvor mit einer militärischen Anwendung der von ihm erfundenen Gase nicht in Verbindung gebracht werden. Heerdt überlebte den Krieg und wurde 1946 wieder Direktor der DEGESCH. Die Erfindung des Zyklon B (die ja in Wirklichkeit gar nicht die Erfindung eines neuen Gases war, sondern es handelte sich um Zyanidgas, das längst bekannt war; neu war nur das Verfahren, mit dem Zyanid in einen Trägerstoff, Kieselgur, eingebracht wurde, aus dem es dann nach Freisetzung langsam wieder herausdampfte) hatte also per se einmal nichts mit irgendwelchen Kriegsverbrechen zu tun. Aber Haber war dennoch ein Kriegsverbrecher. Und natürlich nicht wegen Zyklon B. Aber wenn es Zyklon B im Ersten Weltkrieg schon gegeben hätte und wenn es sich für den Einsatz an der Front geeignet hätte, dann hätte Haber es genauso bedenkenlos den deutschen Militärs in die Hand gegeben, wie er das mit Chlorgas und mit Senfgas getan hat. Mittlerweile sollte das so klar sein, dass selbst Fritz Wunderlich es begreift, aber er wird nicht, das ist mir schon bewusst.

Und so ähnlich ist das halt mit den anderen Argumenten aus seinem heutigen Posting (das noch gar nicht erschienen ist, mir aber schon als Mail zugestellt wurde; ob das ein Fehler im System des Standard ist oder ob sie das mit Absicht machen, weiß ich nicht; es ist insofern frustrierend als man ja, wenn das Posting dann wirklich nicht erscheint, keine Möglichkeit hat, zu antworten; außer man schreibt ein Posting mit einer Antwort auf etwas, was außer einem selbst niemand gelesen hat; was auch nicht wirklich die Lösung ist).

Also: Ich hätte weiter behauptet, die Gründung Israels sei die zentrale Ursache für den Nahostkonflikt. Das ist eine subtile, aber perfide Manipulation dessen, was ich wirklich gesagt habe. Ich sagte, dass die Gründung Israels natürlich eine ganz wichtige Ursache des Konflikts sei. Ich habe nie behauptet, es sei die einzige. Dass diese Staatsgründung — und auch schon die Jahrzehnte davor — allerdings wirklich mit teilweise eklatanten Ungerechtigkeiten gegenüber den Palästinensern, mit Enteignungen, Vertreibungen und in Einzelfällen sogarn Massakern einhergingen (man denke an Dir Yassin), das ist halt auch eine Tatsache, selbst wenn’s dem Herrn Wunderlich nicht passt, weil es natürlich seine argumentative Position schwächt. Drum sind das alles einfach „antizionistische Lügen“. So einfach kann man sich die Welt machen. Und er, gerade er, wirft dann anderen ein zu einfaches Weltbild vor. Das ist ein Mechanismus, der im allgemeinen als Projektion bekannt ist.

Was Watzal betrifft, ist für mich das letzte Wort noch nicht gesprochen. Mag schon sein, dass auch der nicht gänzlich objektiv ist. Aber der Israel-Hasser und glühende Antizionist, als den Wunderlich ihn hinstellt, ist er jedenfalls auch nicht. Sonst würde er die Menschenrechtsverletzungen von Palästinensern an Palästinensern nämlich sicher verschweigen. Tut er aber nicht. Und außerdem, was will er denn, der Wunderlich? Ist seine Position denn etwa ausgewogen? Nein. Für ihn besteht die eine Seite, die palästinensische, aus Terroristen, gegen die Israel sich schützen muss, und daher ist alles, was Israel tut, letztlich irgendwie zu rechtfertigen. Und das ist mir nun wahrlich eine zu simple Position, auch wenn er jede Menge emotionale und sonstige Gründe hat, Israel zu verteidigen.

Und dass ich mich auf eine Stufe mit Martin Buber gestellt hätte, ist ja auch schon wieder so eine Unterstellung. Ich habe gesagt, dass Buber ein prominenter Kritiker am zionistischen Vorgehen schon in den Zwanzigerjahren war. Dass Hannah Arendt die zionistische Politik vehement angegriffen hat. (Arendt erwähnt er gar nicht, und zu Buber fällt ihm nur ein, das ich nicht „in dessen Liga spiele“. Hab ich auch nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, dass es auch hochrangige jüdische Kritiker des Zionismus gibt, ein Argument, bei dem Wunderlich ausfällig wird, weil ihm dazu kein sachlicher Widerspruch einfällt.

Und da schon wieder ein Posting von ihm per Mail eingetroffen ist, kann ich ja gleich weiterschreiben. Ich beziehe mich auf sein polemisches Gegenargument, dass „Syrien, der Libanon, Jordanien und der Irak das Problem“ wären. Nun, die sind zweifellos problematisch, schon aufgrund der Tatsache, dass in keinem dieser Länder eine funktionierende Demokratie herrscht (die amerikanische Besetzung des Irak, die die Lage weiter kompliziert, sei hier einmal ausgeklammert). Aber man kann, bitteschön, auch nicht übersehen, dass Israel das Resultat einer „Landnahme“ ist, einer Aneignung von Land durch jüdische Einwanderer. Und dieses Land hat zum Großteil eben anderen gehört, die zum Großteil von dort vertrieben wurden. Watzal bringt zahllose Zitate dazu, die klar zeigen, dass die Vertreibung der Palästinenser zum Teil das Ziel der zionistischen Politiker und Militärs, zum Teil zumindest (von manchen wenigstens bedauernd) in Kauf genommen wurde. Womit sich übrigens auch das von zionistischer Seite immer wieder vorgebrachte Argument, Palästina sei vor der jüdischen Einwanderung ein mehr oder weniger unbewohntes Land gewesen, in dem bestenfalls ein paar arabische Nomaden mit Viehherden herumgewandert wären, ad absurdum führt. Wenn da niemand zum Vertreiben gewesen wäre, wieso hätten dann selbst zionistische Politiker von Vertreibungen gesprochen?

Nun ist Israel heute eine Realität im Nahen Osten, und kein vernünftiger Mensch, auch kein vernünftiger Kritiker Israels, wird seine Auflösung verlangen. (Und jene, die eine Auslöschung Israels wünschen, sind eben für mich, entgegen den Vermutungen des Herrn Wunderlich, keine vernünftigen Menschen). Und Israel ist auch die einzige Demokratie in der Region, die diese Bezeichnung verdient, wenn auch eine höchst zerrissene, von Vergangenheit und Gegenwart über Gebühr belastete Gesellschaft. Und das ist kein Vorwurf, das ist eine Feststellung.

Und darum meine ich, eine faire Lösung der Probleme in dieser Region wird nur dann möglich sein, wenn auch jene Ungerechtigkeiten aufgearbeitet werden, die den Palästinensern dort geschehen sind und bis heute geschehen. Das sind berechtigte Anliegen, die nur mit teilweise sehr unberechtigten Mitteln (wie etwa Selbstmordanschlägen gegen die israelische Zivilbevölkerung) vertreten werden. Der Zweck heiligt diese Mittel sicher nicht, aber sie desavouieren meiner Ansicht nach auch den Zweck nicht völlig.

Um diese Dinge zu verstehen, ist es eben notwendig, sich abseits des Mainstream der Medien zu informieren. Auch wenn es schwierig ist, aber man muss eben beide Seiten hören bzw. lesen, um sich nach und nach ein eigenes Bild zu machen. Und mein Bild hat sich eben vor allem in den letzten Jahren doch erheblich gewandelt. Ohne dass ich wirklich meine noch aus meiner Jugend stammende emotionale Nähe zu allem, was jüdisch ist, verloren hätte. Deswegen tut’s mir doppelt, drei- und vierfach weh, wenn ein Wunderlich daherkommt, der mich nicht kennt, und mich einen Antisemiten nennt. Deswegen tut’s mir fünffach weh, einsehen zu müssen, dass es auch Unrecht (und schweres Unrecht) gibt, das anderen durch Israel und seine Vorväter zugefügt wird bzw. wurde.

Aber gerade von jüdischen Vorbildern, die ich hatte und habe (nicht zuletzt von Karl Kraus und Friedrich Torberg), habe ich gelernt, dass auch „Philosemitismus“ ein Unsinn ist, weil er eigentlich einen wie ein Handschuh umgedrehten Antisemitismus darstellt.

Und am Schluss gebe ich also eines zu: Ich habe mir in meiner impulsiven Art wahrscheinlich zu wenig überlegt, dass meine Motivation in so einem Standard-Posting, aufgrund mangelnder Kenntnis meiner Person, leicht kolossal missverstanden werden könnte. Deshalb tut mir dieses Haber-Posting auch leid. Nicht wegen der Person des Fritz Haber, die ich verachte. Auch nicht wegen der Herren Wunderlich und Pipifax, die nicht meine Freunde sind und die mit einer merkwürdigen Hartnäckigkeit darauf bestehen, in mir einen Feind zu sehen, der ich nicht bin. Es tut mir einfach nur deshalb leid, weil ich großen Wert darauf lege, in keinerlei Nähe zu irgendwelchem Antisemitismus gebracht zu werden und weil es ja immerhin sein könnte, dass diese Postings, bevor sie gelöscht wurden, noch wer anderer außer Wunderlich und Pipifax gelesen hat, jemand der mich auch missverstanden hat und sich deshalb gekränkt oder beleidigt fühlte. Und DAS wollte ich nicht. Ich entschuldige mich daher quasi vor dem Denkmal des unbekannten Juden oder vor jedem beliebigen Holocaust-Mahnmal. Jederzeit. Aber nicht vor Wunderlich und Pipifax. Das denn doch nicht.