Notiz

Und schön langsam gewinnen die Alma-Memoiren sowas wie eine Form, ein Gewicht. Sie werden das, was jedes gute Buch werden sollte: eine Art temporäre Heimat. Wir befinden uns im Frühjahr 1928, Alma ist mit ihrer Tochter Anna nach Sizilien gefahren. Zu diesem Zeitpunkt lebt sie schon fast ein Jahrzehnt mit Werfel, aber Kokoschka taucht wie ein Gespenst immer wieder auf: Da sieht sie ihn in einem Theater in Venedig (La Fenice), dort schreibt er plötzlich eine Karte aus Afrika, die Werfel fast in die Hand bekommen hätte, weil er einmal selbst die Post aufgemacht hat.

Das ist ungefähr die Mitte des Buches, und ich bin gespannt auf den Rest.

Notiz

Man gewinnt halt immer neue Erkenntnisse, kleine oder größere. Eine kleinere ist, dass die Frau von Alban Berg, Helene, die mit Mädchennamen Nahowski hieß, eine uneheliche Tochter von Kaiser Franz Josef war. Das hat, wie ich nachgelesen habe, nicht nur die Alma behauptet, sondern es war damals in der Wiener Gesellschaft ein offenes Geheimnis.

Es warat wegen Karl Kraus

Sollte das wer lesen: Ich begehe hiermit eine Copyright-Verletzung, die aber wahrscheinlich niemanden kratzen wird. Aber es war neulich ein Artikel von Ronald Pohl über Karl Kraus im „Standard“, und drunter haben die üblichen Verdächtigen den zu erwartenden Blödsinn über KK geschrieben, also: einige, nicht alle.

Und ich habe schon in meinen Kommentaren dort auf Torbergs vor genau 50 Jahren (also zu KKs 100. Geburtstag) geschriebenen Beitrag unter dem Titel „Er war genau so und er war ganz anders“ (veröffentlicht im Band „Apropos“) hingewiesen. Jetzt hab ich ihn tatsächlich eingescannt und hier ist er.

Auf dem Handy wird man das vielleicht nicht lesen können, aber auf einem größeren Bildschirm dürfte es problemlos gehen. Viel Vergnügen.

Die leidige Frage der sogenannten Nato-Osterweiterung

Hier wird auf die deutsche Übersetzung des Buchs der Fr. Sarotte verwiesen, in dem es um die Frage geht, ob irgendjemand den Russen versprochen hat, dass die NATO sich nicht nach Osten ausdehnen wird, und ob man damit gar den Krieg in der Ukraine rechtfertigen könne.

Die Antwort: Die meisten Menschen, die letzteres argumentieren, vergessen ein ganz wesentliches Faktum: Dass es nämlich nicht die bestehende NATO war, die darauf gedrängt hat, osteuropäische und baltische Länder in die NATO aufzunehmen, sondern es waren diese Länder selbst, die das dringend und unbedingt wollten. Aus gutem Grund, wie man heute sieht.

Trotzdem hätte die NATO Russland nicht angegriffen. So viel scheint klar zu sein.

Karl Kraus, vor 150 Jahren

Ja, wir haben tatsächlich ein Karl-Kraus-Jahr, und ich kenne viele, denen das ziemlich am Allerwertesten vorbeigeht. Und Ronald Pohl vom „Standard“, mit dem ich wahrlich nicht immer einer Meinung bin, ist also keiner von ihnen, wie der hier verlinkte Beitrag zeigt, dem ich weitestgehend zustimme.

Eigentlich ist mir das, was manche Leute unter solchen Artikel im Standard-Forum posten, relativ wurscht. Manches ist bemerkenswert: So hat einer geschrieben, Kraus sei überhaupt kein Satiriker gewesen, sondern nur ein verbohrter Polemiker. Ein anderer glaubt, er würde heute (ausgerechnet!) im Fernsehstudio des Herrn Fellner sitzen. Und sich dort noch dazu für Putins Russland aussprechen. Ein dritter sagte, KK sei ganz bestimmt ein fürchterlich unangenehmer Mensch gewesen. Und ein vierter nannte ihn sogar einen „Influencer“. Needless to say: Das ist alles Unsinn.

Man mache sich die Mühe, zwei Texte von Friedrich Torberg zu lesen, die zum 90. (1964) bzw. 100. (1974) Geburtstag von KK geschrieben wurden. Der erstere heißt „Zwischen Schmunzeln und Höllengelächter“, der zweite, persönlichere „Er war genau so und er war ganz anders“. Der erstere Text findet sich in „PPP – Pamphlete, Parodien, Postscripta“, der zweite in „Apropos“. Leider beides online nicht zugänglich.

Das zu lesen, lohnt sich schon deshalb, weil Torberg Kraus ja noch gekannt hat. (Und natürlich sind diese Texte ausgezeichnet geschrieben, was man bei Torberg eigentlich nicht extra erwähnen muss.) Und da stellt sich also heraus, dass KK im Persönlichen ein richtig netter, reizender, freundlicher und zuvorkommender Mensch war, was sich halt so gewisse Standard-Poster nicht und nicht vorstellen können. Wie solllten sie auch.

Neben allem, was er sonst noch war, war Kraus zweifellos auch ein (im nicht-esoterischen Sinne) hellsichtiger Mensch, dem schon Anfang der Dreißigerjahre (wenn nicht noch früher) klar war, was mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus über die Welt hereinbrechen würde. Torberg spricht von einem „Höllengelächter, das er schon hörte, als wir alle noch glaubten, dass wir Grund zum Lachen hätte“. In diesem Sinne.

Und immer wieder Alma

Wir sind am 24. Februar in Drosendorf gewesen, und das obwohl dort um diese Jahreszeit neuerdings wirklich fast ALLES zu hat. Das Schloss hat zu, der Failler auch. Beim Herrn Schneider wollten wir nun nicht wohnen, ABER: Es gibt eine Alternative, die ich auch gerne anpreise: Der sehr sympathische Herr Charles Wardell vermietet eine Ferienwohnung, direkt am Hauptplatz.  Details dazu hier. Die Photos, die man auf der Website sieht, sind sehr echt, es sieht wirklich genauso aus, und das Wort „Ferienwohnung“ ist eigentlich irreführend, man hat eher das Gefühl, Gast in einer Privatwohnung zu sein. Das machen die vielen, netten Kleinigkeiten, die dort herumstehen oder an der Wand hängen. Wirklich nett.

Aber der eigentliche Grund, warum wir dort waren: „Alma und Oskar“, ein Film von Dieter Berner, das Drehbuch hat er zusammen mit seiner Frau, Hilde Berger, geschrieben. Wir durften die beiden auch kennenlernen (der Failler hatte zwar zu, aber für den Filmabend war zumindest der Kinosaal geöffnet). Und derjenige, der uns die Herrschaften Berger und Berner vorstellte, war eben kein anderer als der wackere Herr Wardell.

Die Filmvorführung war etwas holprig, weil es technische Probleme gab. Der sehr entspannte Regisseur meinte dazu nur: „Ein guter Film muss das aushalten“. Und er hat’s auch ausgehalten. Die beiden Hauptdarsteller, Emily Cox und Valentin Postlmayr, waren durchaus furios. Bei der Emily (die die schwierigere Rolle hatte, denke ich) habe ich mich allerdings gefragt, ob sie die Alma nicht fast ein bissel zu nett angelegt hat.

Jedenfalls hab ich dann das vor Ort gekaufte und von Fr. Berger signierte Exemplar der „Windsbraut“ gelesen, dann (nochmals) den Briefwechsel zwischen Alma und Friedrich Torberg, der in den Vierzigerjahren beginnt. Die beiden (oder die drei, wobei er Werfel vielleicht schon vorher kannte) haben einander ja auf der Flucht kennengelernt. Was ich dabei allerdings nicht verstehe, ist, warum dieser Briefwechsel 1950 plötzlich abbricht. Man könnte sich verschiedene Gründe denken, vielleicht sind die Briefe, die danach kamen, verloren gegangen. Es werden wohl, nachdem Torberg 1951 nach Europa zurückgekehrt war und sich dort ins Kulturleben gestürzt hat, auch weniger geworden sein. Aber doch nicht gar keine. Das kann  man sich bei den vorherigen und publizierten Beteuerungen,  wie sehr er sie liebe, doch nicht vorstellen. Ich versuche, dem nachzugehen, zweifle allerdings daran, dass sich noch wer finden wird, der das weiß. EINE Spur verfolge ich jedenfalls.

Und dann hab ich jetzt auch Almas Memoiren („Mein Leben“) zu lesen begonnen. Die gibt’s als E-Book, also bequem. Bestellt habe ich (gebunden) die wenig freundliche Biographie von Oliver Hilmes, „Witwe im Wahn“. Ich denke, man muss beides lesen, zwecks besserer Beurteilung, denn dass Alma selbst die Dinge nicht immer sehr objektiv darstellt, daran kann kein Zweifel bestehen. Und es gibt halt ganz viel, was sie nicht sagt, etwa, dass sie (wenn die Fr. Berger richtig recherchiert hat) von Kokoschka zweimal schwanger war. Das erste dieser Kinder wurde abgetrieben, das zweite (und hier wird’s also ganz heikel) geht, nachdem Kokoschka sie vergewaltigt hat, ab. So wird’s zumindest im Film dargestellt. Natürlich steht bei Alma nichts darüber. Ob Hilmes das erwähnt, weiß ich noch nicht, das Buch ist unterwegs.

Ich werde berichten.

Weder Neuanfang noch Fortsetzung

Siehe da, es hat noch einmal vier Jahre gedauert, bis ich wieder hier angekommen bin. Angekommen, vorbeigekommen, immerhin: hineingekommen, das ist ja schon einmal was.

Und ich will ja nicht schon wieder was ankündigen, was ich dann nicht einhalte. Aber seit 2020 ist ja wirklich viel passiert, und es passiert sozusagen täglich weiter. Nachdem ich aber keine Bestandsaufnahme all dessen versuchen möchte, was seither geschehen ist, und weil ich kreuz und quer über das schreiben möchte, was mich grad beschäftigt, ja: tu ich das einfach.