Karl Kraus, vor 150 Jahren

Ja, wir haben tatsächlich ein Karl-Kraus-Jahr, und ich kenne viele, denen das ziemlich am Allerwertesten vorbeigeht. Und Ronald Pohl vom „Standard“, mit dem ich wahrlich nicht immer einer Meinung bin, ist also keiner von ihnen, wie der hier verlinkte Beitrag zeigt, dem ich weitestgehend zustimme.

Eigentlich ist mir das, was manche Leute unter solchen Artikel im Standard-Forum posten, relativ wurscht. Manches ist bemerkenswert: So hat einer geschrieben, Kraus sei überhaupt kein Satiriker gewesen, sondern nur ein verbohrter Polemiker. Ein anderer glaubt, er würde heute (ausgerechnet!) im Fernsehstudio des Herrn Fellner sitzen. Und sich dort noch dazu für Putins Russland aussprechen. Ein dritter sagte, KK sei ganz bestimmt ein fürchterlich unangenehmer Mensch gewesen. Und ein vierter nannte ihn sogar einen „Influencer“. Needless to say: Das ist alles Unsinn.

Man mache sich die Mühe, zwei Texte von Friedrich Torberg zu lesen, die zum 90. (1964) bzw. 100. (1974) Geburtstag von KK geschrieben wurden. Der erstere heißt „Zwischen Schmunzeln und Höllengelächter“, der zweite, persönlichere „Er war genau so und er war ganz anders“. Der erstere Text findet sich in „PPP – Pamphlete, Parodien, Postscripta“, der zweite in „Apropos“. Leider beides online nicht zugänglich.

Das zu lesen, lohnt sich schon deshalb, weil Torberg Kraus ja noch gekannt hat. (Und natürlich sind diese Texte ausgezeichnet geschrieben, was man bei Torberg eigentlich nicht extra erwähnen muss.) Und da stellt sich also heraus, dass KK im Persönlichen ein richtig netter, reizender, freundlicher und zuvorkommender Mensch war, was sich halt so gewisse Standard-Poster nicht und nicht vorstellen können. Wie solllten sie auch.

Neben allem, was er sonst noch war, war Kraus zweifellos auch ein (im nicht-esoterischen Sinne) hellsichtiger Mensch, dem schon Anfang der Dreißigerjahre (wenn nicht noch früher) klar war, was mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus über die Welt hereinbrechen würde. Torberg spricht von einem „Höllengelächter, das er schon hörte, als wir alle noch glaubten, dass wir Grund zum Lachen hätte“. In diesem Sinne.

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