Und immer wieder Alma

Wir sind am 24. Februar in Drosendorf gewesen, und das obwohl dort um diese Jahreszeit neuerdings wirklich fast ALLES zu hat. Das Schloss hat zu, der Failler auch. Beim Herrn Schneider wollten wir nun nicht wohnen, ABER: Es gibt eine Alternative, die ich auch gerne anpreise: Der sehr sympathische Herr Charles Wardell vermietet eine Ferienwohnung, direkt am Hauptplatz.  Details dazu hier. Die Photos, die man auf der Website sieht, sind sehr echt, es sieht wirklich genauso aus, und das Wort „Ferienwohnung“ ist eigentlich irreführend, man hat eher das Gefühl, Gast in einer Privatwohnung zu sein. Das machen die vielen, netten Kleinigkeiten, die dort herumstehen oder an der Wand hängen. Wirklich nett.

Aber der eigentliche Grund, warum wir dort waren: „Alma und Oskar“, ein Film von Dieter Berner, das Drehbuch hat er zusammen mit seiner Frau, Hilde Berger, geschrieben. Wir durften die beiden auch kennenlernen (der Failler hatte zwar zu, aber für den Filmabend war zumindest der Kinosaal geöffnet). Und derjenige, der uns die Herrschaften Berger und Berner vorstellte, war eben kein anderer als der wackere Herr Wardell.

Die Filmvorführung war etwas holprig, weil es technische Probleme gab. Der sehr entspannte Regisseur meinte dazu nur: „Ein guter Film muss das aushalten“. Und er hat’s auch ausgehalten. Die beiden Hauptdarsteller, Emily Cox und Valentin Postlmayr, waren durchaus furios. Bei der Emily (die die schwierigere Rolle hatte, denke ich) habe ich mich allerdings gefragt, ob sie die Alma nicht fast ein bissel zu nett angelegt hat.

Jedenfalls hab ich dann das vor Ort gekaufte und von Fr. Berger signierte Exemplar der „Windsbraut“ gelesen, dann (nochmals) den Briefwechsel zwischen Alma und Friedrich Torberg, der in den Vierzigerjahren beginnt. Die beiden (oder die drei, wobei er Werfel vielleicht schon vorher kannte) haben einander ja auf der Flucht kennengelernt. Was ich dabei allerdings nicht verstehe, ist, warum dieser Briefwechsel 1950 plötzlich abbricht. Man könnte sich verschiedene Gründe denken, vielleicht sind die Briefe, die danach kamen, verloren gegangen. Es werden wohl, nachdem Torberg 1951 nach Europa zurückgekehrt war und sich dort ins Kulturleben gestürzt hat, auch weniger geworden sein. Aber doch nicht gar keine. Das kann  man sich bei den vorherigen und publizierten Beteuerungen,  wie sehr er sie liebe, doch nicht vorstellen. Ich versuche, dem nachzugehen, zweifle allerdings daran, dass sich noch wer finden wird, der das weiß. EINE Spur verfolge ich jedenfalls.

Und dann hab ich jetzt auch Almas Memoiren („Mein Leben“) zu lesen begonnen. Die gibt’s als E-Book, also bequem. Bestellt habe ich (gebunden) die wenig freundliche Biographie von Oliver Hilmes, „Witwe im Wahn“. Ich denke, man muss beides lesen, zwecks besserer Beurteilung, denn dass Alma selbst die Dinge nicht immer sehr objektiv darstellt, daran kann kein Zweifel bestehen. Und es gibt halt ganz viel, was sie nicht sagt, etwa, dass sie (wenn die Fr. Berger richtig recherchiert hat) von Kokoschka zweimal schwanger war. Das erste dieser Kinder wurde abgetrieben, das zweite (und hier wird’s also ganz heikel) geht, nachdem Kokoschka sie vergewaltigt hat, ab. So wird’s zumindest im Film dargestellt. Natürlich steht bei Alma nichts darüber. Ob Hilmes das erwähnt, weiß ich noch nicht, das Buch ist unterwegs.

Ich werde berichten.

Zwei neue Artikel

Ich habe mir erlaubt, wieder einmal was für Suite101 zu schreiben. Nein, das stimmt nicht ganz, ich schreibe es nicht für Suite101, ich veröffentliche es nur dort. Dabei ist die Tatsache, dass man dort im Prinzip auch Tantiemen für Werbeklicks kriegt, ziemlich nebensächlich, denn mit meinen (jetzt) acht Artikeln habe ich bisher € 2,68 verdient, was keine wirkliche Motivation wäre.
Aber es macht Freude, es sind gute Fingerübungen, und es ist zumindest was anderes als über randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudien zu schreiben.
So habe ich mich also zunächst an das Verhältnis zwischen Karl Kraus und Kurt Wolff gewagt. Anlass war der in der „Bibliothek Janowitz“ von Friedrich Pfäfflin veröffentlichte Briefwechsel zwischen den beiden, aus den Jahren 1912 bis 1921. Das Buch wird von einigem Material bereichert, nicht nur von Verträgen, die zwischen Kraus als Autor und Wolff als Verleger geschlossen wurden, sondern auch von einigen Briefen anderer Autoren, etwa Franz Werfel, die zur Sache gehören, weiters von einigen Auszügen aus der Fackel.
Ich mag hier nicht wiederholen, was man in meinem Artikel nachlesen kann (der sogar von der Redaktion von Suite101 gelobt wurde, was ich dankend annehme), aber es ist schon bemerkenswert, dass Werfel sowohl der Initiator als auch der Vernichter der Beziehung Kraus — Wolff war. Allerdings: So, wie die Dinge lagen, musste es wohl früher oder später zu diesem Bruch kommen, denn Wolff sah sich nun einmal nicht als Zensor seiner Autoren, und auch wenn er Kraus zuliebe einen eigenen „Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)“ gegründet hatte, verlegte er eben doch weiter auch jene, die von Kraus angegriffen wurden und sich natürlich gelegentlich wehrten: Franz Werfel, Kurt Hiller, Max Brod und andere.
Was ich aber besonders bemerkenswert finde, ist, dass Kurt Wolff, obwohl er Kraus liebte und verehrte, niemals einer der (von ihm selbst so genannten) „Besessenen“ war, deren absurd übertriebene Verehrung (Hiller nannte Kraus in einem Brief allen Ernstes „christushaft“) so leicht in Hass umschlagen konnte und dies auch tat: bei Werfel, bei Hiller, bei Haas — die Liste ließe sich fortsetzen.
Nein, Wolff war kein Besessener, er war eher ein Treuer, der noch Jahrzehnte später, als Kraus längst tot war und andere, ehemalige Besessene, verbal bereits mehrfach wohlig auf sein Grab uriniert hatten, immer noch von seiner stets unveränderten inneren Beziehung zu Kraus und seinem Werk schrieb. Dieser Essay, der ursprünglich in zwei separaten Stücken Mitte der Fünfziger- und Anfang der Sechzigerjahre erschien und in Pfäfflins Buch den simplen Titel „Karl Kraus“ trägt, wird zu Recht zum Schönsten gezählt, was je über Kraus geschrieben wurde.
Nein, Kraus war nicht christushaft, aber er war das Gewissen seiner Zeit, die nur allzu oft lieber gewissenlos sein wollte und es auch war. Und heute muss man wohl schon wieder auf das monumentale Werk dieses großen österreichischen Satirikers, Lyrikers und Dramatikers hinweisen, der nebenbei auch noch der beste Interpret seiner eigenen Werke war, aber auch jener von Shakespeare, Goethe, Nestroy und Offenbach. Über 700 Vorlesungen, von denen einiges Wenige sich als Ton- oder sogar Filmdokument erhalten hat, gaben Zeugnis davon.
Und Wolff? Er musste fliehen, zunächst nach Frankreich, dann in die USA. Man kann einiges, eher kursorisch Verfasste, über sein Leben und seine Arbeit in der Wikipedia nachlesen, wo übrigens meine Änderungs- oder eher: Ergänzungsvorschläge (ich habe einen eigenen Abschnitt über die Beziehung Wolff-Kraus geschrieben, weil der Name Kraus im vorherigen Wiki-Artikel nicht einmal vorkam) zum Zeitpunkt, da ich das hier schreibe, noch immer nicht vidiert sind, und das ist jetzt immerhin schon eine Woche her. Den Artikel mit meinen Ergänzungen findet man hier; wer das bisher immer noch offizielle Original lesen will, braucht nur auf den Reiter „Lesen“ links daneben zu klicken.

Der andere Suite101-Artikel ist eher eine impressionistische Skizze eines meiner Lieblingsorte: Drosendorf im Waldviertel. Sehr zu empfehlen für Menschen, die keine Events und keine dröhnende oder pulsierende Abend- und Nachtkultur brauchen, sondern eher leise, manchmal schwer wahrnehmbare Sonderlichkeiten, die es aushalten, ja vielleicht sogar suchen, dass: nichts geschieht. Die einen Schlosshof schätzen können, in dem man sitzen kann und in dem sich lediglich der Schatten des Sonnenuhrzeigers an der Wand und das Wasser, das im kleinen Springbrunnen plätschert, bewegen — und allenfalls die eigenen Gedanken und Gefühle, so sie sich nicht in die Stille verflüchtigen, deren Kostbarkeit man dort erleben mag.